Feel the Beat
Es hat sich eingebürgert, dass sich das Team jeden dritten Freitag vom Monat mit Beat auf ein Glas Wein oder Bier trifft. Beat hat vor vielen Jahren in der gleichen Firma wie sie gearbeitet und sie haben gemeinsam ein paar innovative Projekte in Rekordzeit verwirklicht.
Für das Team war es stets ein Rätsel, wie Beat an diese Aufträge kam, aber die Arbeit war anspruchsvoll und interessant. Da hört man auf zu hinterfragen.
Was der eigentliche Job von Beat in der Bank war, weiss niemand so genau und es weiss auch niemand, wo Beat sich aktuell überall aufhält. Er ist viel unterwegs und hat ein gewaltiges Netzwerk. Beat hat ein feines Gespür für Menschen und kann diese begeistern, ohne dass er speziell auffällt.
Doch heute ist etwas anders. Beat wirkt aufgeladen. Wacher als sonst. Seine Augen glänzen.
«Leute, die Lage ist ernst!»
Was ist los? Folgt eine Ansprache? Dramatisierung ist untypisch für Beat.
«Einst war der Bankenplatz Schweiz ein wichtiger, konkurrenzfähiger und stolzer Bankenplatz. Dann kamen viele Änderungen in der Bankenregulierung, ihr erinnert euch?»
Klar erinnert sich das Team daran. Das war die Zeit, wo Juristen und Anwälte Anforderungen an Software schrieben. Die Entwickler mussten diese ohne Murren umsetzen. Wehe, man diskutierte über mögliche Verbesserungsvorschläge. Optimierungen. Oder elegante Lösungen.
«Die Juristen haben mit ihrem “Legal Shizzle” den Finanzplatz kaputt optimiert. Juristisch alles perfekt; wie eine Festung. Aber das kann doch kaum mehr ein Kunde bedienen. Habt ihr mal getestet, wie lange es geht, bis man ein Konto in der Schweiz eröffnet hat? Unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen und dem Negativzins ist “Swiss Banking” nur noch grotesk. Habt ihr gesehen, was ausserhalb der Schweiz abgeht? Günstige Währungswechsel, günstige oder keine Gebühren, Transaktionen innert Sekunden!
Selbst das von der EU erzwungene SEPA ist schneller als eine Überweisung innerhalb der Schweiz. Kann nur Euro; ist aber schneller und günstiger. Wenn die Asiaten erst mit brauchbaren Lösungen kommen, dann können wir mit unseren antiken Lösungen in der Schweiz einpacken.»
«Du weiss ja noch, wie das bei uns war.» unterbricht Sebastian. «Uraltsysteme. Wir wurden genötigt, die vielen rechtlichen Aspekte einbauen; dann wurde es noch träger. Zeit für Optimierung gab es nicht. Und nun sind die Systeme, wie sie halt sind. Wollte man da aufräumen, bräuchte man viel Zeit und Geld. Da ist es einfacher, eine neue Bank aufzubauen.»
«Jungs! Das ist es, was ich meine. Es braucht eine neue Bank in der Schweiz. Dringender denn je. Wenn wir nicht handeln, schmilzt der Bankenplatz Schweiz weg.»
Drama, Baby?
«Banking muss einfacher werden. Banking muss wieder Spass machen! Und das Ganze muss aus der Schweiz kommen. Es muss doch gopfridstutz möglich sein, brauchbare Produkte, welche in Echtzeit funktionieren, in der Schweiz anzubieten. Meint ihr nicht?»
«Klar müsste das möglich sein. Immerhin gibt es einiges an Standardsoftware, welche man für Banking verwenden könnte. Banking-Lösungen gibt es fixfertig inklusive begehbaren Demo-Banken, z.B. in Indien.»
«Das sehe ich auch so. Standards, wo möglich und sinnvoll. Aber ich brauche ein Team, das sich am Markt auskennt. Ich brauche ein Team, das “unkompliziert” kann. Und ich brauche ein Team, das selber programmieren kann.»
«An wen hast Du da gedacht?»
«Jungs, ich will ein Start-Up gründen. Peter, Michael und ich organisieren das Startkapital. Ihr habt die Beiden auch schon gesehen. Aber Jungs, wir brauchen die Besten! Euch!»
«Wir sind noch bei Deinem ehemaligen Arbeitgeber angestellt. Das weisst Du.»
«Genau. Nun kommt der etwas unschönere Teil. Jungs, ich kann euch den bisherigen Lohn nicht bezahlen. Die Arbeit wird hart, die Tage lang. 6 Wochen Ferien pro Jahr gibt es vorerst nicht. Den Kaffee müsst ihr selber bezahlen und mit den Obstkörben ist erst mal Schluss.
Aber Jungs, ich kann euch etwas anbieten, das euch so schnell niemand anbieten kann! Mit den aktuellen Optimierungsaufgaben bei eurem Arbeitgeber könntet ihr euch einen schönen Lenz machen bis zur Pensionierung. Aber wollt ihr das?
Kommt ihr zu uns, habt ihr viel Risiko. Keine Ahnung, ob es das Start-Up in einem Jahr noch gibt. Keine Ahnung, ob der alte Arbeitgeber euch wieder zurücknehmen würde.
Jungs! Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie stolz seid ihr auf eure aktuelle Tätigkeit? Wem erzählt ihr in eurem Umfeld davon? Und wer würde verstehen, was ihr da macht? Optimierungen… Eine komplette Talentverschwendung!
Wäre es nicht verlockend, jenseits von Bürokratie, jenseits von “Legal Shizzle” ein cooles Produkt zu entwickeln und möglichst nahe am Kunden und Markt zu sein? Ohne Schalterbeamte? Etwas sichtbares, greifbares entwickeln? Etwas, was ihr euren Familien erzählen könnt und was sie sogar verstehen?»
Ups… Beat hat einen Nerv getroffen.
«Was meinst Du? Bürokratiefrei? Lean? Agile?» fragt Daniel.
«Du hast es erfasst, Daniel. Ich habe ein “Vision Canvas” entwickelt, wo alles drauf steht.»
Beat kramt aus seinem Aktenordner ein Papier heraus. A3. Er faltet es auf.
«Schaut. Das ist das Geschäftsmodell. Zielgruppe, Produkt, Wert, Einnahmequellen usw. Alles drauf.
Die Herausforderung: Traditionelle Geldgeber wollen noch immer 100-seitige Businesspläne. Ich habe aber keine Lust auf traditionell denkende Geldgeber. Wir suchen Leute, die im hier und jetzt angekommen sind. Alles andere bremst uns nur aus. Für das haben wir keine Zeit.»
Da hat das Team etwas verpasst. Beat ist in der agilen Welt angekommen. Mit einem finanziell üblen Angebot. Unattraktiv. Hässlich.
Inhaltlich ist es aber so attraktiv, dass man es nur schwer ausschlagen kann.
Das Team überlegt und gerät ins Grübeln.
- “Schlechtere Konditionen” vs. “Sehr interessanten Arbeitsinhalt”
- “Task-Monkey” vs. “Selber denken und mitgestalten”
- “Sichere Umgebung” vs. “Auf zu neuen unbekannten Ufern”
Spürt ihr den Takt? Das Tempo wird hoch sein.
NzNzNzNz
Eine neue Bank – alles neu aufbauen – den Vorsprung der bereits bekannten Dinosaurier einholen.
Bei diesen Gedanken wird dem Team warm ums Herz. Glück macht sich breit und bringt die Gesichter zum Strahlen. Die Dramaturgie könnte im Flackern des Kerzenlichtes der Bar nicht grösser sein.
Dann ist sie wieder da: die Realität. Das gemachte Nest. Der Komfort. Die Sicherheit. Die Bequemlichkeit.
Kann das Team sich von den bekannten Annehmlichkeiten lösen?
Wir werden sehen. Schwierige Entscheidungen brauchen Zeit. Ein paar Tage Bedenkzeit.